So ein Obergefreiter!
Der erste Rußlandwinter steckt noch allen in den Gliedern und in der Erinnerung, auch wenn jetzt hochsommerliche Hitze über den Feldern und Wäldern des Mittelabschnittes brütet. Nach voijährigern, ungestümen Vorwärtsdrang haben die Soldaten lernen müssen auszuweichen, sich abzusetzen oder manchmal in panischer Flucht Anschluß nach rückwärts zu suchen. In solchen Lagen werden Stützpunkte, werden zerschossene Dörfer, werden manche Kameraden zum Inbegriff zähen Widerstandes und treuen Zusammenhaltes. Für die Soldaten der 216. Infanterie-Division haben die Russendörfer Kisch~ewka und Maklaki, Kotobitschi und Dimitrijewka einen solchen Klang, und im Regiment 348 kennt jeder den Obergefreiten Sagmeister von der 12. Kompanie, jenen einstigen österreichischen Kaiseijäger aus Graz. Von ihrn geht der Wille zum Durchhalten, zum Nichtaufgeben, zum Widerstand und Gegenangriff aus.

Als in den frühen Morgenstunden des 9. Juli 1942 nach starkem Artilleriefeuer auf Dimitrijewka mehrere Feindpanzer, von Rotarmisten gefolgt, die eigene Stellung aufrollen und auf den Bataillonsgefechtsstand einschwenken, kriecht dieser Obergefreite auf das Strohdach des niedrigen Hauses, in das schon die Sprenggranaten einschlagen. Dann macht der Obergefreite aus seinem Beobachtungsstand an der Firstkante seine Meldung:
,,Zwei Panzer nähern sich links von mir dem Dorfrand! Jetzt kommen sie näher auf uns zu! Sie richten ihre Rohre auf unser Haus!"

Im nächsten Augenblick gibt es einen teuflischen Krach, und noch ehe der Kommandeur diesen treuen Soldaten herunterkommandieren kann, ist er schon mit Balken und Sparren zwischen Schutt und Qualm auf der Erde gelandet, wo er unverletzt, aber verstaubt und verdreckt aus den Trümmern kriecht. Er verschnauft einen Augenblick, dann meldet er weiter:

,,Herr Hauptmann, in Wirklichkeit sind es fünf Feindpanzer, aber ich habe nur zwei gemeldet, damit sich die Kameraden nicht unnötig aufregen..."

Nachher hat sich einer der Panzer im sumpfigen Gelände festgefahren und ein leichter Panzer kommt heran, um Hilfe zu leisten. Zur Sicherung dieser Aktion bringen die Rotarmisten ein Maschinengewehr in Stellung, dessen Abzugsvorrichtung mittels einer Schnur aus dem Panzer bedient wird, so daß in Abständen immer wieder MG Garben in die eigene Stellung schlagen. Ein freiwilliger Panzervemichtungstrupp des 111.1348 robbt unter Feuerschutz heran, doch wird der Truppführer verwundet und das Unternehmen abgebrochen. Das paßt dem Obergefreiten Sagmeister nicht. Allein schiebt er sich immer weiter an das unbesetzte, mit jener Schnur fembediente MG heran, schneidet schließlich die Schnur ab und bringt die verfluchte Waffe als Beute zuruck.

Aber der Druck gegen die Stellung hält an. Die Verluste werden immer höher. Die Lage ist außerordentlich bedrängt. Da nähert sich von rückwärts der Obergefreite mit dem ermutigenden Zuruf:
,,Herr Hauptmann, ich bringe Verstärkung!"

Erleichtert dreht sich der Hauptmann mitten im Feuerkampf um, nachdem er seinen Karabiner abgesetzt hat. Hinter ihm steht mutterseelenallein der Obergefreite, erschöpft und schwer atmend, eben von einem Meldegang zurückkommend. Aus seinem Brotbeutel zieht er lachend eine volle Flasche Rum! Das war zwar keine Verstärkung, die er da herangebracht hatte, aber eine Stärkung in dieser mieslichen Lage war es immerhin.